Gesetzliches Widerrufsrecht gilt auch für Versandapotheken
Auch über das Internet bestellte Medikamente dürfen Verbraucher binnen 14 Tage retournieren
Es ist Versandapotheken nicht erlaubt, das Widerrufsrecht der Verbraucher in ihren AGB generell auszuschließen, urteilte das OLG Naumburg am 22. Juni 2017 (Az.: 9 U 19/17).
Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband gegen eine Internetapotheke, welche in ihren AGB folgende Klausel verwendete:
Bei apotheken- und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln besteht nach Übergabe an den Kunden kein Widerrufsrecht, da diese aufgrund der Vorschriften die Arzneimittelsicherheit wegen ihrer Beschaffenheit nicht für die Rücksendung geeignet sind und schnell verderben können.
Eine solche Klausel verstoße aus Sicht des Gerichts gegen die Vorschrift § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der zufolge ist eine allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner in der Weise benachteiligt, dass sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Das bedeutet, dass eine allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam ist, wenn sie einer gesetzlichen Regelung in wesentlichen Punkten widerspricht.
Diese Voraussetzung sei vorliegend gegeben, urteilte das OLG Naumburg. Denn die
§§ 312g, 355 BGB billigen dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen – hierzu zählen auch Bestellung bei einer Internetapotheke – ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu. Da die AGB der beklagten Internetapotheke diese Regelung konterkariere, liege eine unangemessene Benachteiligung des Käufers vor. Die Klausel sei somit unwirksam und müsse aus den AGB der Klägerin entfernt werden.
Die Klägerin hingegen vertritt die Ansicht, dass sich aus § 312g Abs. 2 BGB eine Ausnahmeregelung für den Widerruf von Arzneimitteln ergebe. Ihre Auffassung wird jedoch nicht vom OLG Naumburg geteilt. Denn § 312g Abs. 2 schließt den Widerruf für schnell verderbliche Waren aus, da aber nur einzelne und keinesfalls alle Arzneimittel in diese Kategorie fallen, könne die Vorschrift auch keinen generellen Ausschluss des Widerrufsrechts für Arzneimittel begründen.
Aus Sicht der Beklagten liege bei Arzneimitteln jedoch eine rechtliche Verderblichkeit vor, die sich aus den Vorschriften der § 17 Abs. 1 ApBetrO, § 7b AM-HandelsV ergebe. Denen zu Folge dürfen zurückgegebene Arzneimittel nicht wiederverkauft werden, sondern müssen von den Apotheken vernichtet werden. Aus diesem Grund müssen Präsenzapotheken einmal verkaufte Arzneimittel auch nicht zurücknehmen. Für Versandapotheken gilt jedoch das Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge. Um dieses aufgrund der rechtlichen Verderblichkeit von Arzneimitteln ausschließen zu können, wäre eine weite Auslegung des § 312g Abs. 2 BGB erforderlich, die aus Sicht des OLG unzulässig ist. Schließlich handle es sich bei § 312g Abs. 2 BGB um eine Ausnahmeregelung, die daher eng auszulegen sei. Zumal habe sich der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 312g BGB im Jahr 2014 ganz bewusst dafür entschieden, den gesetzlichen Ausschluss des Widerrufsrechts für Arzneimittel nicht gesetzlich zu regeln.
Damit gelangt das OLG schließlich zu dem Ergebnis, dass der Wortlaut des § 312g Abs. 2BGB einen generellen Ausschluss des Widerrufsrechts für Arzneimittel im Fernabsatz nicht zulässt. Dabei gesteht das Gericht ein, dass es rechtspolitisch, insbesondere aus Sicht der Apotheker gute Gründe für einen solchen Ausschluss gebe. Das ändere jedoch nichts daran, dass es Sache des Gesetzgebers sei, eine entsprechende Regelung zu treffen.
Angesichts der steigenden Beliebtheit von Internetapotheken bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber in der Zukunft eine Modifikation der Widerrufsregelung für Arzneimittelbestellungen bei Versandapotheken vornehmen wird. Aktuell jedenfalls profitieren die Verbraucher noch von dem gesetzlichen Widerrufsrecht, während die Apotheker zumindest wirtschaftlich die Verlierer sind.
Warinka Röschmann
Tim Reichelt (Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht)
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