Apotheken und Verblisterer – „Rechtsprobleme der Verblisterung von Arzneimitteln“

I. Die Verblisterung von Arzneimitteln stellt eine neuartige pharmazeutische Dienstleistung dar, die zunehmend an Bedeutung gewinnt, gleichzeitig aber eine Fülle ungelöster Rechtsfragen aufwirft. Bei der Verblisterung werden aus Arzneimittelpackungen für feste Arzneimittel wie Tabletten oder Kapseln zunächst Teilmengen aus der Verpackung, den so genannten „Blistern“ entnommen, diese Teilmengen sodann nach der individuellen Medikation eines Patienten für einen bestimmten Zeitabschnitt zusammengestellt und schließlich erneut in Blister verpackt, also „verblistert“. Die individuelle Verblisterung hilft so insbesondere jenen Patienten, deren Therapietreue durch eine Vielzahl verordneter Medikamente, bzw. hiermit regelmäßig in Kombination auftretende Konzentrationsschwäche gefährdet ist. Die große Vereinfachungsleistung dieser neuartigen Dienstleistung und der fortschreitende demographische Wandel lassen erwarten, dass der Verblisterung in der Zukunft eine stetig wachsende wirtschaftliche Bedeutung zukommen wird. Insbesondere die Verblisterung durch Apotheken-externe Unternehmen hat jedoch viele ungeklärte Rechtsprobleme entstehen lassen, die mittlerweile auch die Gerichte beschäftigen. Im Folgenden beschränken wir uns auf die besonders relevanten Problemkreise der Haftung für durch verblisterte Medikamente verursachte Körper- und Personenschäden sowie der Preisbildung verblisterter Medikamente. II. Die Haftungsfrage für verblisterte Arzneimittel ist bezüglich des AMG derzeit völlig offen. Das in den §§ 84 ff. AMG geregelte, an-sich strenge Haftungsregime ist in Bezug auf verblisterte Arzneimittel lückenhaft und führt zu ernstzunehmenden Risiken für den Patienten. Nach den §§ 84 ff. AMG unterliegt der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung der durch das Inverkehrbringen oder Innehaben der Zulassung für das Arzneimittel gekennzeichnete pharmazeutische Unternehmer i. S. d. § 4 Abs. 18 AMG für nach § 21 AMG zulassungspflichtige Arzneimittel. Nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 b. b) AMG sind verblisterte Arzneimittel jedoch von der Zulassung ausgenommen, so dass eine Haftung sowohl des Verblisterers, welcher den neuen Blister schließlich im Sinne des § 4 Abs. 17 AMG in den Verkehr bringt, als auch des Herstellers der Fertigarzneimittel als Bestandteile des Blisters jedenfalls nach dem AMG nicht in Frage kommt. Die Haftung des Herstellers und Inhabers der Zulassung der neu zu verblisternden Fertigarzneimittel des Blisters scheitert regelmäßig daran, dass der Hersteller anhand des neuen Blisters nicht erkennbar sein wird. Dann wird ihm auch das Inverkehrbringen im Sinne des § 9 Abs. 1 AMG nicht mehr zuzurechnen sein, womit die Eigenschaft als pharmazeutischer Unternehmer und damit die Haftung nach dem AMG entfällt. Zwar bleiben beide, Verblisterer und Hersteller der einbezogenen Fertigarzneimittel nach dem ProdHfG und dem BGB haftbar. Die im AMG vorgesehenen Haftungsprivilegien des geschädigten Patienten gehen diesem bei geltender Rechtslage jedoch insgesamt verloren. Zu bedenken wäre rechtsfortbildend zum Einen die extensive Auslegung des § 9 Abs. 1 AMG in Bezug auf das Inverkehrbringen, sowie zum Anderen eine analoge Anwendung des § 84 Abs. 1 AMG auf die tatsächlich zulassungsfreien Verblisterungen. III. Nicht weniger ungeklärt ist das Problem der Preisbildung für Arzneimittelblister. Grundlegend für das Arzneimittelrecht ist die in der AMPreisV zum Ausdruck kommende Preisbindung für Medikamente, die den Apotheker vor dem Konflikt zwischen seinem heilberuflichen Auftrag und der Profitorientierung schützen soll. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 7 AMPreisV sind jedoch Arzneimittelblister vom Anwendungsbereich der AMPreisV ausgenommen. Damit sind die Preise für Arzneimittelblister grundsätzlich dem freien Wettbewerb überlassen und sind Rabatte prima facie in jeder Hinsicht möglich. Gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 b. b) AMG sind jedoch nur solche Blister zulassungsfrei, die aus bereits zugelassenen Fertigarzneimitteln hergestellt werden. Damit ist die Verwendung preisgünstiger Bulkware nicht zulässig. Es fragt sich nun aber, ob die sonstigen, der AMPreisV unterfallenden Fertigarzneimittel, die entweder direkt vom Hersteller oder von einer Apotheke an den Verblisterer geliefert werden, der Preisbindung und den damit zusammenhängenden generellen Rabattverboten unterworfen bleiben, bzw. ob nicht durch Verblisterung die AMPreisV umgangen werden könnte. Auch für dieses weitere aus Rechtsprechungssicht ungeklärte Problem der Verblisterung zeigen wir Ihnen bei Bedarf praxisnahe und so weit als möglich rechtssichere Lösungsvorschläge auf. 

 

Tim Reichelt Fachanwalt für Arbeitsrecht Gewerblicher Rechtsschutz

Tim Reichelt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Gewerblicher Rechtsschutz

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