Erstes Arbeitsgericht hat entschieden: Freistellung von Bestandspersonal in medizinischen Einrichtungen bei fehlendem Immunitätsnachweis wegen der Regelung in § 20a IfSG zulässig

In unserem Beitrag Immunitätsnachweis gegen COVID-19 in medizinischen Einrichtungen Pflicht –> Faktische Impfpflicht vom 08.01.2022 hatten wir bereits über die neue Regelung in § 20a IfSG berichtet, nach der alle Beschäftigten in medizinischen Einrichtungen bis zum 15. März 2022 einen Immunitätsnachweis (Impfnachweis, Genesenennachweis oder Nachweis einer medizinischen Kontraindikation) erbringen mussten.

Für Bestandspersonal sieht die Regelung kein Beschäftigungsverbot vor, vielmehr lediglich eine Meldepflicht der Einrichtungsleitung gegenüber dem Gesundheitsamt.

Nicht geregelt und damit unklar war hingegen, welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen Einrichtungsleitungen zulässigerweise ziehen können, wenn Bestandsbeschäftigte keinen Immunitätsnachweis erbringen.

In unserem o.g. Beitrag hatten wir bereits die Ansicht vertreten, dass diese Beschäftigten von ihrer Tätigkeit freigestellt werden können, und zwar ohne Fortbezahlung.

Handreichung zur Impfprävention in Bezug auf einrichtungsbezogene Tätigkeiten des Bundesgesundheitsministeriums vom 22.03.2022 (S. 21 ff.) vertritt das Bundesgesundheitsministerium, dessen Zuständigkeitsbereich eigentlich nicht das Arbeitsrecht beinhaltet, eine andere Auffassung:

„Die öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 20a IfSG begründet kein Recht des Arbeitgebers zur Freistellung. Wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden können, besteht auch keine Grundlage für kündigungsrechtliche Konsequenzen.“

Mit Urteil vom 21.04.2022 – 5 Ga 1/22, BeckRS 2022, 7741 hat nun das Arbeitsgericht Gießen die bundesweit erste Entscheidung zur Zulässigkeit der Freistellung in diesen Fällen getroffen.

In dem vom Gericht zu entscheidenden Fall wehrte sich ein Wohnbereichsleiter eines Seniorenheims, der dort bereits seit 2020 beschäftigt war, bis zum 15.03.2022 keinen Immunitätsnachweis erbracht hatte und deshalb von seiner Arbeitgeberin freigestellt worden war, gegen seine Freistellung. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (Eilverfahren) machte er einen Beschäftigungsanspruch geltend.

Den Antrag des Antragstellers lehnte das Arbeitsgericht mit der Begründung ab, das Interesse der Arbeitgeberin, Leib und Leben der Heimbewohner zu schützen, überwiege das Interesse des Antragstellers auf Beschäftigung. Den Gesetzesmaterialien zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht sei durchaus der gesetzgeberische Wille zu entnehmen, dass in medizinischen Einrichtungen keine Personen beschäftigt werden sollen, die nicht geimpft oder genesen sind.

Das Arbeitsgericht bestätigt damit die von uns vertretene Auffassung, dass Bestandsbeschäftigte, die bis zum 15.03.2022 keinen Immunitätsnachweis erbracht haben, ohne Bezahlung freigestellt werden dürfen.

RA Felix Hermann

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