Werbung für individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL)

Aktuelles Urteil des VG Münster zur Werbung für zahnkosmetische Leistungen (Bleaching)

 

02.10.2018

Zahnärzte und Ärzte stehen immer wieder vor der Frage, ob und wie sie für sich, ihre Praxis und ihre Leistungen werben dürfen. In der Tat sind die Möglichkeiten durch die Vorschriften der (zahn-) ärztlichen Berufsordnungen sehr beschränkt. Denn prinzipiell ist jede Art der Werbung untersagt, um einer Kommerzialisierung des Arztberufes vorzubeugen. In den vergangenen Jahren hat die Rechtsprechung die Regeln jedoch in vielerlei Hinsicht gelockert. Sodass es (Zahn-) Ärzten mittlerweile in bestimmten Grenzen erlaubt ist für ihre Angebote zu werben.

 

Besonders wichtig ist die Frage nach der Zulässigkeit ärztlicher Werbung bei individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL). IGeL sind Leistungen, deren Kosten nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden und die der Patient daher selbst bezahlen muss. Zu den IGeL-Leistungen gehören unter anderem auch kosmetische Leistungen, denen keine medizinische Indikation zu Grunde liegt und die somit ausschließlich einen kosmetischen Zweck verfolgen. Das ist zum Beispiel bei Schönheitsoperationen der Fall. Einerseits scheint die Werbung für solche kosmetischen Leistungen schon deshalb erforderlich, weil es sich gerade nicht um medizinisch notwendige Eingriffe handelt. Andererseits bergen IGeL-Leistungen auch aus diesem Grund das Risiko einer Kommerzialisierung des Arztberufes. Diese droht, wenn dem Arzt die aus IGeL-Leistungen zu erwirtschaftenden Gewinne wichtiger erscheinen als die medizinisch notwendige Behandlung seiner Patienten. Dennoch ist auch die Werbung für IGeL-Leistungen in Grenzen möglich, zeigt ein aktuelles Urteil des VG Münster. Das Gericht hat damit der Klage eines Zahnarztes stattgegeben, auf seiner Homepage unter anderem mit Mindestpreisen für sein Zahnbleaching-Angebot werben zu dürfen (VG Münster, Urteil v. 22.11.2017, Az.: 5 K 4424/17).

 

 

Sachverhalt

Ein Zahnarzt aus NRW warb auf seiner Homepage für sein nach eigenen Angaben preisgünstiges Zahnbleaching-Angebot. Neben der Darstellung von Preisbeispielen, wonach die Standardbehandlung bereits ab 129 Euro erhältlich sei, enthielt die Angebotsbeschreibung auch eine Liste von Fragen und Antworten zur Bleachingbehandlung sowie eine Auswahl von Vorher-/Nachher-Bildern. Die zuständige Zahnärztekammer erblickte in dieser Art der Angebotsdarstellung eine berufswidrige Werbung, da unzulässiger Weise mit Festpreisen geworben werde und die Werbung zumal anpreisend sei. Die Kammer erteilte dem Zahnarzt schließlich eine berufsrechtliche Rüge verbunden mit einem Ordnungsgeld von 500 Euro und untersagte ihm für die Zukunft eine solche Art der Werbung. Der Zahnarzt, der den Vorwurf der Kammer als ungerechtfertigt befand, erhob sodann Klage, welcher das VG Münster mit Urteil vom 22.11.2017 (Az.: 5 K 4424/17) stattgab.

 

 

Verbotsgrundsatz berufswidriger Werbung

Während der Zahnarzt mit sachangemessenen Informationen über seine Berufstätigkeit „werben“ darf, ist ihm die berufswidrige Werbung gemäß § 21 Abs. 1 der zahnärztlichen Musterberufsordnung (MBO) strengstens untersagt. Hierzu gehört insbesondere eine anpreisende, irreführende, herabsetzende oder vergleichende Werbung (§ 21 Abs. 1 S. 3 MBO). Nach dem VG Münster sei die Berufswidrigkeit einer Werbung somit insbesondere dann anzunehmen, wenn sie zu Irrtümern und damit zu einer Verunsicherung der Kranken führe. Denn eine solche Werbung sei dazu geeignet, das Vertrauen in den Arztberuf zu untergraben und langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung zu haben. Insofern rechtfertige das Schutzgut der Volksgesundheit die mit dem Werbeverbot einhergehende Beschränkung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der betroffenen Ärzte.

 

Von der berufswidrigen Werbung abzugrenzen seien jedoch interessengerechte und sachangemessene Informationen, deren Veröffentlichung auch zu Werbezwecken zulässig ist. Ob es sich um erlaubte sachliche Informationen oder aber um verbotene berufswidrige Werbung handelt, müsse derweilen im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände abgewogen werden. Dabei sei zur Abgrenzung zwischen berufswidriger Werbung und sachlicher Information vom Standpunkt eines verständigen Patienten auszugehen und nicht von der Auffassung des jeweiligen Berufsstandes.

 

Im vorliegenden Fall stelle sich die streitgegenständliche Angebotsdarstellung aus Sicht eines verständigen Patienten als sachangemessene Information und nicht als berufswidrige Werbung dar, urteilte das VG Münster. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Gericht die folgenden Punkte an:

 

 

Werbung auf der Homepage prinzipiell zulässig

Die Werbung auf der eigenen Homepage ist prinzipiell zulässig. Wie das BVerfG bereits 2003 feststellte (und wie das VG Münster nun bestätigte), handle es sich hierbei um eine im Internet als passive Darstellungsplattform geschaltete Selbstpräsentation (BVerfG, Beschluss v. 17.07.2003, Az.: 1 BvR 2115/02). Eine solche Internet-Werbung diene daher nicht der Beeinflussung potentieller Patienten, die erst durch die Werbung auf die beworbenen Leistungen bzw. Personen aufmerksam werden. Sie sei vielmehr zur Kenntnis solcher Patienten bestimmt, die sich selbst aktiv informieren wollen, weshalb sie gerade die betreffende Homepage besuchen.

 

 

Mindestpreisangaben zulässig – Fest- und Pauschalpreise hingegen nicht

Auch bei kosmetischen Leistungen, wie dem Bleaching, ist es (Zahn-) Ärzten nicht erlaubt, Fest- oder Pauschalpreise anzubieten, da damit von den Vorschriften der Gebührenordnung (GOZ/GOÄ) abgewichen würde. Die Gebührenordnung bildet jedoch zwingendes Preisrecht für alle Zahnärzte und sei als Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG zu qualifizieren. Ein Verstoß gegen die GOZ stellt folglich ein unlauteres Verhalten dar, welches zu einer kostenpflichtigen Abmahnung führen kann.

 

Im vorliegenden Fall stellte der Zahnarzt auf seiner Homepage verschiedene Leistungspakete vor, die je nach Leistungsumfang ab einem bestimmten Preis erworben werden können. Die Standardbehandlung sei bereits ab 129 Euro und die Homebehandlung ab 199 Euro erhältlich. Die mit zusätzlichen Leistungen ausgestatteten Premium- und Deluxebehandlung könnten dagegen ab 179 bzw. 349 Euro erworben werden. Die zuständige Zahnärztekammer vermutete in diesen Preisangaben eine unzulässige Werbung mit Festpreisen. Das VG Münster entschied hingegen, dass die mit „ab“ gekennzeichneten Preisangaben weder unzulässige Fest- noch Pauschalpreise darstellen. Schließlich sei damit für einen verständigen Patienten ersichtlich, dass die Preise für die beworbenen Leistungen bei 129 Euro starten und der tatsächlich zu zahlende Betrag im Einzelfall höher ausfallen kann. Vielmehr dienen die Preisbeispiele einem wichtigen Informationsauftrag. Informiert sich ein Patient aus eigenem Antrieb über eine medizinisch nicht notwendige, sondern lediglich kosmetische zahnärztliche Behandlung, so hat er ein besonderes Interesse an Informationen über die zu erwartenden Kosten der Behandlung. Da die GOZ für das Bleaching keine Gebührenposition aufweise, sei die Preisgestaltung maßgeblich von betriebswirtschaftlichen Erwägungen des Zahnarztes abhängig. Angesichts dessen stellen Preisbeispiele wie die vorliegenden eine wichtige Information für den Patienten dar, dem keine anderweitigen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, sich die gewünschten Informationen zu verschaffen.

 

 

Bewerbung der Leistungen als „preiswert“

Auch die Bewerbung der Leistungen als „preiswert“ sei nicht irreführend und entsprechend zulässig, urteilte das VG Münster. Der Hinweis suggeriere nicht, dass von den Vorgaben der GOZ – nach unten – abgewichen werde, sondern korrigiere vielmehr etwaige Fehlvorstellungen des Patienten über die Kosten einer Bleachingbehandlung. Entscheidend sei in diesem Zusammenhang, dass es sich beim Bleaching um eine medizinisch nicht erforderliche Verlangensleistung handle, deren Kosten sich nicht unmittelbar aus der GOZ entnehmen ließen.

 

 

Notwendigkeit eines Heil- und Kostenplans

Bevor Leistungen erbracht werden, die über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen Behandlung hinausgehen (sogenannte Leistungen auf Verlangen) muss gem. § 2 Abs. 3 GOZ schriftlich ein Heil- und Kostenplan vereinbart werden. Eine Werbung, die suggeriert, es werde kein Plan erstellt, sei irreführen und folglich unzulässig. Allerdings sei es nicht erforderlich, dass im Kontext der Werbung konkret auf die Erstellung eines entsprechenden Plans hingewiesen wird. Auch im vorliegenden Fall sei ein solcher Hinweis zwar nicht gegeben, doch hätte der Zahnarzt auf seiner Homepage wiederholt darauf hingewiesen, dass vor der Behandlung eine ausreichende Beratung erfolge.

 

 

Verleitung zu unnötigen Eingriffen

Unzulässig ist zumal solche Werbung, die zu unnötigen Eingriffen verleite, welche einen mehr als nur geringfügigen Eingriff in die körperliche Integrität darstellen. Die Verlosung von Gutscheinen oder auch das in Aussicht stellen eines besonders günstigen Preises seien prinzipiell geeignet, die angesprochenen Personen in ihrer Entscheidung zu beeinflussen, einen medizinisch nicht erforderlichen Eingriff vornehmen zu lassen, auf welchen sie ohne die Werbung verzichtet hätten (vgl. BVerfG, Beschluss v. 01.06.2011, Az.: 1 BvR 233/10 u. 1 BvR 235/10).

Im vorliegenden Fall beurteilte das VG Münster die ausgeschriebenen Preise als angemessen, weshalb die Werbung nicht dazu verleite, eine Bleaching-Behandlung vornehmen zu lassen, die anderenfalls nicht in Anspruch genommen worden wäre.

 

 

Werbung mit Vorher-/Nachher-Bildern

Seit der Änderung des § 11 Abs. 1 Nr. 5 HWG in 2012 ist es (Zahn-) Ärzten prinzipiell erlaubt mit Vorher-/Nachher-Bildern zu werben. Nur bei plastisch-chirurgischen Eingriffen ohne medizinische Notwendigkeit, also bei „Schönheitsoperationen“, ist die Werbung mit Vorher-/Nachher-Bildern gem. § 11 Abs. 1 S. 3 HWG untersagt. Unter die Verbotsnorm fallen auch zahnmedizinische Eingriffe, wie die Setzung von Implantaten oder die Überkronung von Zähnen, da in beiden Fällen in die Körpersubstanz eingegriffen und insofern ein operativer Eingriff vorgenommen werde. Ist hingegen eine medizinische Indikation gegeben, ist die Werbung mit entsprechenden Vorher-/Nachher-Bildern zulässig (OLG Celle, Urteil v. 30.05.13, Az.: 13 U 160/12).

 

Da das Zahnbleaching keinen plastisch-chirurgischen Eingriff darstellt, war die Abbildung von Vorher-/Nachher-Bildern im vorliegenden Fall zulässig, wie das VG Münster feststellte.

 

Das VG Münster hat in seinem Urteil nochmals klargestellt, dass (Zahn-) Ärzten die Werbung für IGeL-Leistungen prinzipiell erlaubt ist, sofern die berufsrechtlichen Grenzen eingehalten werden. Zwar ist die oben aufgeführte Liste nicht abschließend. Doch enthält sie einige wichtige Hinweise, worauf der (Zahn-) Arzt bei der Werbung für seine Praxis allgemein und insbesondere für die angebotenen IGeL-Leistungen achten muss. Bei Unsicherheiten über die Zulässigkeit der eigenen Praxishomepage oder sonstiger Werbung empfiehlt es sich bereits im Vorfeld anwaltlichen Rat einzuholen. Schließlich kann die Zulässigkeit konkreter Werbemaßnahmen in der Regel nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Zumal drohen bei unzulässiger Werbung erhebliche Konsequenzen die nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld kosten können. Angesichts dessen sollte einem berufsrechtlichen bzw. wettbewerbsrechtlichen Verfahren präventiv vorgebeugt und die eigene Werbung im Zweifel von einem fachkundigen Rechtsanwalt überprüft werden.

 

 

Warinka Röschmann

Tim Reichelt (Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht)

info@medizinanwalt.de

Schlagwörter