„Corona“ als alleiniger Grund für betriebsbedingte Kündigung?

Viele arbeitsrechtliche Fragestellungen werden durch die aktuelle Pandemie-Lage aufgeworfen. Auftragsrückgänge oder komplette Stilllegungen von Betrieben führen in diversen Branchen zu Umsatzrückgängen, die temporär durch staatliche Maßnahmen wie z.B. Kurzarbeit bzw. Kurzarbeitergeld aufgefangen werden können. Dennoch sind immer mehr betriebsbedingte Kündigungen erforderlich, um die Personalkosten zu reduzieren und den Betrieb zu erhalten.

Trotz Pandemielage entbindet dies den Arbeitgeber nicht von der Beweislast, betriebsbedinge Kündigungen im Kündigungsschutzverfahren auch hinreichend darzulegen und nachzuweisen, um eine wirksame Kündigung begründen zu können. Die Anforderungen sind unverändert gleich hoch.

Arbeitgeber werden ihrer Beweislast für eine betriebsbedingte Kündigungen nicht allein mit dem Verweis auf die Corona Situation und einem damit einhergehenden Auftrags- und Umsatzrückgang gerecht.

So hat es z.B. auch das Arbeitsgericht Berlin festgestellt (Urteil vom 05.11.2020 zum Az. 38 Ca 4569/20). Ausreichend ist weiterhin nicht allein der Vorwand „Corona“. Vielmehr muss der Arbeitgeber darlegen, dass die Auftrags- und Umsatzrückgänge dauerhaft zu erwarten sind und auch nach Ende der Pandemie keine Umkehr zu erwarten ist. Eine „nur“ vorübergehende ggf. gar pandemiebedingte Schwankung reicht für sich allein nicht aus.

Auch in weiteren Urteilen führt das Arbeitsgericht Berlin aus (Urteile vom 25. August 2020, Aktenzeichen 34 Ca 6664/20, 34 Ca 6667/20, 34 Ca 6668/20), dass allein der „pandemiebedingte“ Umsatzrückgang keine hinreichende Begründung darstelle, die eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen kann.

Hinweis:

Vor diesem Hintergrund sind Arbeitgeber VOR Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung gut beraten, die betriebsbedingten Kündigung im Hinblick auf einen dauerhaften vorliegen Auftrags- und Umsatzrückgang gerichtsfest zu prüfen und darzulegen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen bereits staatliche Hilfen wie u.a. Kurzarbeit in Anspruch genommen worden sind. In solchen Fällen müssen zusätzlich noch weitere besondere betriebsbedingte Umstände hinzugetreten sein, die nach Inanspruchnahme von KUG eine zeitlich nachgelagerte Kündigung rechtfertigen können.

Vor dem Ausspruch einer Kündigung gilt es folgendes zu beachten: Im Fall der Inanspruchnahme von Kurzarbeit und Gewährung von Kurzarbeitergeld entfallen die die persönlichen Voraussetzungen genau in dem Moment des Ausspruchs einer Kündigung und benommen, ob die Kündigung verhaltens-, personen– oder betriebsbedingt erfolgt. Gleiches gilt im Übrigen im Fall des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages. In diesem Moment des Abschlusses entfallen die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld. Denn Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld ist gemäß § 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, dass das Anstellungsverhältnis „nicht gekündigt“ oder durch „Aufhebungsvertrag aufgelöst ist“.

Diese Folgen gilt es bei der Prüfung und Umsetzung der Beendigung von Anstellungsverhältnissen jedenfalls zu beachten und in dem strategischen Vorgehen VORAB zu berücksichtigen, sodass insbesondere die wieder „auflebende“ Lohnzahlungspflicht des Arbeitsgebers im KUG-Zeitraum einkalkuliert wird.

Tim Reichelt

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

tr@medizinanwalt.de

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