Wirksamkeit von Entwicklungsklauseln in Chefarztverträgen?

Viele Chefarztverträge enthalten üblicherweise sogenannte Entwicklungsklauseln. Diese sollen dem Krankenhausträger die Möglichkeit eröffnen einseitig auch ohne Zustimmung des Chefarztes strukturelle und organisatorische Maßnahmen im Krankenhaus mit Auswirkungen auf die Rechtsposition des Chefarztes ergreifen zu können. Derartige Maßnahmen führen des Öfteren zu wirtschaftlichen Konsequenzen in Form von Rückgängen der Liquidationserlöse des Chefarztes, sodass die Wirksamkeit derartiger Klauseln immer wieder Gegenstand gerichtlicher Untersuchung ist. Da seit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 Arbeitsverträge auch anhand des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach §§ 305 bis 310 BGB zu beurteilen sind und gemäß der Übergangsregelung in Art. 229 § 5 EGBGB seit dem 1.1.2003 auch vor dem 1.1.2002 geschlossene Altverträge der AGB-Kontrolle unterliegen, stellt sich die Frage der Wirksamkeit von Entwicklungsklauseln sowohl für ursprüngliche, als auch für neuartige Formulierungen. Rechtsprechung und Literatur gehen bezüglich der bis 2005 regelmäßig vereinbarten Entwicklungsklauseln – mit unterschiedlichen Argumenten -überwiegend von deren Unwirksamkeit aus. So argumentierte das Arbeitsgericht Nürnberg in einem bislang unveröffentlichten Urteil vom 11.1.2010 (AZ 3 Ca 7892/09) bezüglich der streitgegenständlichen Klausel, dass diese die Grenze zwischen Direktionsrecht (§ 106 S. 1 GewO) und Änderungsschutz (§§ 2, 1 Abs. 2, 3 KSchG) in unangemessener Weise zu Lasten des Chefarztes als Kläger verschiebe, da sie dessen gesamten Tätigkeitsbereich der Entscheidungsfreiheit der Beklagten, einer Krankenhausträgerin, überlasse. Dies stelle eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 und § 307 Abs. 1 S. 2 BGB dar. Anders verhält es sich hingegen mit der ab Ende 2005 von der DKG (Deutsche Krankenhausgesellschaft) empfohlenen Neuformulierung der Entwicklungsklausel. Diese Klausel hält einer AGB-Kontrolle unter anderem auch deswegen stand, weil sie einerseits eine möglichst konkrete Beschreibung derjenigen Umstände verlangt, unter denen der Arzt mit einer Umstrukturierung durch den Krankenhausträger rechnen muss und andererseits eine stärkere Beteiligung des Arztes an der Entscheidung über die Umstrukturierungsmaßnahmen vorsieht, indem diese nur „im Benehmen“ mit dem Arzt vorgenommen werden. Dies bedeutet allerdings nur, dass dem Arzt zwar ernsthaft Gelegenheit gegeben werden muss auf die Entscheidung über die Realisierung des Vorhabens Einfluss zu nehmen. Ist dies geschehen, kann sich der Krankenhausträger letztlich aber auch dann durchsetzen, wenn der Arzt nicht einverstanden ist. Auch einer arbeitsrechtlichen Wirksamkeitsprüfung wird die Neuformulierung der Entwicklungsklausel aller Voraussicht nach standhalten. Prüfungsmaßstab ist hier das Kündigungsschutzrecht, dessen Kernbereich durch eine Erweiterung des Direktionsrechts des Arbeitgebers nicht unterlaufen werden darf. In Anbetracht der früheren Rechtsprechung des BAG zur Wirksamkeit von Entwicklungsklauseln (BAG, Urteil vom 28.5.1996, NZA 1997, 1160 ff.), das – je nach Einzelfall – Einkommensverluste von bis zu 40 % der Gesamteinnahmen als noch mit dem Kündigungsschutzrecht vereinbar ansah, ist aber mit guten Gründen von der Wirksamkeit der modernisierten Entwicklungsklausel auszugehen. 

 

Tim Reichelt Fachanwalt für Arbeitsrecht Gewerblicher Rechtsschutz

Tim Reichelt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Gewerblicher Rechtsschutz

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